Ein Kommentar von Benjamin Eidam

Eine Bemerkung vorweg: Der nachfolgende Text soll keinesfalls „die Alten“ gegen „die Jungen“ ausspielen, er soll auf die Deplatzierung von hoffnungslos veraltetem Gedankengut aufmerksam machen und zum Ersatz bzw. umfassenden Erweiterung von diesem beitragen. Am besten, so schnell wie möglich und notfalls so hart wie nötig.

Wenn wir uns starr an die Vergangenheit klammern, sehen wir keiner rosigen Zukunft entgegen. Die Abstimmung über den Brexit zeigt das allzu deutlich.

Es ist anzunehmen, dass wir in Zukunft noch mehr Konflikte zwischen altem, konservativem Gedankengut und neuen, zukunftsweisenden Ideen erleben werden. Oder, wie es ein Leser auf [1] schrieb:

„Die gesellschaftlichen Konflikte der Zukunft finden nicht zwischen Arm und Reich statt, sondern zwischen Jung und Alt – dies wurde von Vielen als dummes Geschwätz von Soziologen abgetan. Nun hat eine – zweifellos demokratische – Wählerentscheidung gezeigt, dass die Zukunft längst begonnen hat.“

Es scheint, das Alter spaltet nicht (mehr) nur in „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ [2], sondern auch in „hoffnungsvoll und offen“ sowie „ängstlich und egoistisch“.

Die eben geschehene Entscheidung zum Brexit offenbart diesen Fakt leider mit aller tragischer Deutlichkeit.

Während sich die Jugend darum kümmert, die Welt offener, besser und schöner zu machen, scheint es den Alten nur noch darum zu gehen, eine nostalgisch herbeigesehnte Vergangenheit zum Status quo zu machen.

Natürlich gilt es auch hier, wie immer, nicht in Pauschalisierungen zu verfallen, allerdings sprechen die Statistiken eine eindeutige Sprache.

Es waren vor allem die Alten, die Generation 50+, welche Europa offensichtlich auseinanderbrechen lassen wollen, welche für den Brexit gestimmt haben. [3] [4]

Die Jugend baut Start-ups auf, ist interkulturell aktiv und versucht vielfach die Welt zu retten, während viele alte Menschen vollkommen abgehangen und zwischen Gleichgültigkeit und Argwohn ihr Leben an der Realität und ihren Problemen vorbei leben.

Auch hier gilt natürlich, nicht alle, bei Weitem nicht alle. Aber leider doch viel zu viele.

Was nicht sonderlich verwunderlich ist, sind sie doch bereits zahlenmäßig bei Weitem der Jugend überlegen. [5]

Kann man dies den Alten vorwerfen? Ich weiß es nicht. Die Welt wird täglich komplexer; neue Technologien sprießen gefühlt im Stundentakt hervor, während auf der anderen Seite viele Menschen bereits an einem Toaster verzweifeln, oder sich diesen nicht einmal leisten können.

Dies aber rechtfertigt in keinem Falle die permanent und jetzt erneut geschehene Vorenthaltung von Möglichkeiten für alle anderen.

Nur weil man in der Überzahl ist, ist man nicht automatisch im Recht. Daran hat sich seit dem Dritten Reich nichts geändert.

Doch leider scheinen die meisten unserer ehemals Weisesten mittlerweile nach dem Motto zu leben: „Die nächste Generation wird’s schon wieder hinbiegen, wenn ich unter der Erde liege. Sollen die auch mal was tun.“

Dass es absolut unmöglich ist, diesen herbeigesehnten Status quo der Vergangenheit zu reproduzieren, scheint dabei leider niemanden zu interessieren. Außerdem war damals, wann auch immer genau das nun war, wirklich alles besser? War nicht viel mehr alles einfach nur anders? Emotionsgefärbte Superlative werden ab dem Zeitpunkt gefährlich, ab dem sie anderen aufgezwungen werden. Und genau das droht uns aktuell im Gewand von AfD, Donald Trump etc.

Momentan werden die wirklich notwendigen großen Fortschritte vor allem von jungen Menschen gemacht, Menschen mit Visionen und einem Gefühl dafür, was wichtig und notwendig ist für alle. [6] [7]

Leider scheint die alte Generation nur noch dazu da zu sein, diesen Menschen Steine in den Weg zu legen, Ihren Wohlstand zu sichern und aus Ignoranz und Verbitterung zu handeln.

Doch so bewegen wir uns von einer Demokratie, bei der das Stimmrecht zum Wohle aller eingesetzt werden sollte, in eine Ochlokratie [8] bei der sich jeder nur der Nächste ist und statt Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten, auf die Vergangenheit und ihre Unfehlbarkeit beharrt.

Nicht anders verhält es sich in der Politik selbst.

Nur stellt sich bereits seit geraumer Zeit die Frage, ob wandelnde Fossilien als Machtrepräsentanten im Angesicht von Aussagen wie „Das Internet ist für uns alle Neuland“ [9] überhaupt noch tragbar sind?

Ist es nicht schon fahrlässig, eine Generation über unser aller Zukunft entscheiden zu lassen, welche sich unter „Cyberwar“ wahrscheinlich einen spannenden Kampf auf der drittgrößten Insel im Mittelmeerraum vorstellt? Eine regierende Generation, bei der das kategorische Verschlafen, Verschleppen oder Bremsen von Entwicklungen komisch anmuten würde, würde es nicht unser aller Leben betreffen? [10] [11]

Ein Blick auf das Durchschnittsalter der Mitglieder der „etablierten“ Parteien im Vergleich sagt dabei mehr als tausend Worte. [11]

Doch das muss keineswegs so bleiben. Wir, als Transhumane Partei Deutschland (das Durchschnittsalter der TPD-Mitglieder liegt übrigens aktuell bei etwa 33 Jahren) wie auch als jugendliche Generation selbst, bitten und empfangen jeden mit offenen Armen, sich mit uns über eine positive Zukunft für alle zu unterhalten.

Nur müsst Ihr auf unsere Rufe auch reagieren, anstatt Euch in Eure grauen Bunker zu verkriechen und vom Weltgeschehen abzuschotten.

Denn auch das hat die Abstimmung in Großbritannien gezeigt: Die Wahlbeteilung der jungen Menschen war viel niedriger als die der älteren. Das „Ja“ zum Brexit ist deshalb auch der „Passivität der jungen Generation geschuldet, die die Hände in den Schoß legte, während die Älteren sie aus der EU wählten“. [12]

Wir fordern Euch deshalb dazu auf, Eure Zukunft, unsere Zukunft wieder selbst aktiv mitzugestalten. Ihr könnt Euch nicht mehr aus Politik und Weltgeschehen raushalten, wenn Ihr die Welt wirklich verbessern wollt!

Wir, als zukunftszugewandte Menschen, dürfen uns nicht mehr überstimmen lassen!

Wir müssen aber auch nach den tieferen, wahren Gründen fragen, warum Ältere so entscheiden, wie sie entscheiden. Wir müssen uns verbreiteten, aber oft ungerechtfertigten Zukunftsängsten stellen und sollten alle Menschen befähigen, in einer sich immer schneller ändernden Welt zurechtzukommen und Entscheidungen mit Weitblick zu treffen.

Wir gehen jeden Tag mehr in ein Zeitalter über, in dem Verständnis und Adaption neuer Herausforderungen wichtiger sind als Erfahrungswerte. Ganz einfach, weil in den meisten heute relevanten Entscheidungen, Situationen und Bereichen kaum Erfahrungswerte vorhanden sind, um darauf aufzubauen; womit die Quintessenz der aktuellen politischen Legitimation wegbricht. [13]

Angesichts dieser Tatsachen stellt sich eine Frage: Entscheiden noch diejenigen, welche entscheiden sollten? Entscheiden noch diejenigen, die entscheiden können?

Dieser Zweifel lässt mich, nach dem Brexit mehr denn je, beunruhigt zurück.

Denn diese alten, festgefahrenen Denker und Denkweisen bilden noch auf absehbare Zeit die Netzwerke der Macht und des Kapitals gleichermaßen; und sie helfen sich gegenseitig, am Wohle aller anderen vorbei. Ganz ohne Verschwörungstheorien: Wie alt ist denn die durchschnittliche Chefetage?

Wir müssen diesen alten und auf den eigenen Gewinn orientierten Lobbyismus, der Weiterentwicklung und Fortschritt immer wieder verhindert, vereint entgegentreten und gemeinsam überwinden.

Ich will ehrlich gesagt nicht in einer Zukunft leben, in der ältere Menschen jüngeren Leuten gesellschaftliche und technologische Neuerungen missgönnen, nur weil es früher anders war und man selber vielleicht durch eine schwerere Zeit gehen und härter arbeiten musste. Das gilt bei den Themen Automatisierung, Bedingungsloses Grundeinkommen und allgemeine Freiheit genauso wie beim Fortbestand der EU.

Zumindest eines scheint nach dem Brexit festzustehen: Wir brauchen eine stärkere politische Beteiligung informierter, weltoffener und zukunftsorientierter Menschen, die für sich selbst und andere Verantwortung übernehmen. Wir brauchen eine Revolution der Jugend. [14] [15]

Fangen wir sie gemeinsam an.

Auf in eine „Neolaíakratie“!

Abschlussbemerkung: Dieser Text repräsentiert ausschließlich die persönliche Meinung von Benjamin Eidam und muss nicht mit den Standpunkten der TPD übereinstimmen.

Kommentare können gerne auf der Facebookseite der TPD hinterlassen werden.

Dieser Artikel ist eine persönliche Meinung des Autors und soll als Diskussionsgrundlage, oder um Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken, genutzt werden. Die hier dargelegten Standpunkte stellen nicht zwangsläufig die der TPD dar.

Quellen:

[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/brexit/warum-wir-nach-der-brexit-referendum-neue-rebellion-brauchen-14306632.html#GEPC;s6

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Native

[3] http://www.stern.de/politik/ausland/brexit–die-jungen-haben-fuer-einen-verbleib-in-der-eu-gestimmt-6917234.html

[4] http://www.zeit.de/campus/2016-06/europaeische-identitaet-europa-eu-brexit-referendum-grossbritannien

[5] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1351/umfrage/altersstruktur-der-bevoelkerung-deutschlands/

[6] http://www.boyanslat.com/

[7] http://www.golem.de/news/easton-lachappelle-fokussierte-gedanken-lassen-roboterarm-fest-zugreifen-1506-114489.html

[8] https://wikipedia.org/wiki/Ochlokratie

[9] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/kanzlerin-merkel-nennt-bei-obama-besuch-das-internet-neuland-a-906673.html

[10] http://www.zeit.de/digital/internet/2016-05/internetwirtschaft-gruenbuch-digitale-plattformen-wirtschaftsministerium

[11] http://www.huffingtonpost.de/2015/06/09/entmachtet-die-alten—nur-so-hat-deutschland-eine-zukunft_n_7543108.html?utm_hp_ref=politik?utm_hp_ref=germany

[12] http://www.welt.de/politik/ausland/article156576085/Unfassbar-niedrige-Wahlbeteiligung-junger-Briten.html

[13] https://www.ted.com/talks/jeremy_howard_the_wonderful_and_terrifying_implications_of_computers_that_can_learn?language=de

[14] http://www.faz.net/aktuell/politik/brexit/warum-wir-nach-der-brexit-referendum-neue-rebellion-brauchen-14306632.html#GEPC;s6

[15] http://www.zeit.de/kultur/2016-06/brexit-abstimmung-junge-alte-yougov-umfrage

Steven Bärwolf